An(ge)dacht
Angedacht
Wer kennt das nicht?
Ich stehe bei meinem wöchentlichen Einkauf vor dem Gemüseregal und möchte einfach schnell Tomaten kaufen. Doch einfach und schnell gibt es nicht. Das gab es vielleicht noch vor 25 Jahren, als die Auswahl nicht so groß war. Jetzt zwingt mich die Vielfalt, meine Brille aufzusetzen und genau hinzusehen. Ich nehme also verschiedene Packungen mit Tomaten in die Hand und erkundige mich nach den Sorten, dem Gewicht und nach den Herkunftsländern. Ich unterscheide Bio-Tomaten von konventionell angebauten und vergleiche die Preise. Gut informiert entscheide ich dann, welches Angebot meinen Bedürfnissen und Vorstellungen am meisten entspricht. Bevor die Tomaten schließlich in meinem Einkaufswagen landen, werfe ich noch einen kritischen Blick auf die Qualität, denn beschädigt oder bereits verdorben sollten sie nicht sein. Endlich kann ich weiterziehen und mich anderen Einkäufen widmen. Einfach und schnell war das nicht, aber ich bin zufrieden, denn ich habe nach bestem Wissen geprüft und eine begründete Entscheidung getroffen.
Nach meinem Einkauf kommt mir die Jahreslosung für 2025 in den Sinn: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Und ich bin stolz, dass ich mich in dieser Situation entsprechend verhalten habe.
Doch wie hilflos stehe ich oft den unzähligen anderen Entscheidungen gegenüber, die ich im Laufe eines Tages zu treffen habe. Nicht alles kann ich in die Hand nehmen und mit eigenen Augen überprüfen. Auch kann ich leider nicht allem vertrauen, was mir Schwarz auf Weiß oder mit Fotos präsentiert wird.
Gab es bei Facebook bislang zumindest noch einen Fakten-Check, so wird dieser in Zukunft ausgeschaltet. Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht hier höher als das Verhindern von Falschmeldungen.
Bei der Flut von Informationen, die mich tagtäglich durch die sozialen Medien, Zeitungen, Radio und Fernsehen erreichen, fühle ich mich teilweise überfordert. Manche Äußerungen und Informationen stehen gegeneinander oder widersprechen sich.
Welcher Meldung kann ich glauben? Wem vertrauen? Für einen ausführlichen Fakten-Check meinerseits reicht nicht immer die Zeit und habe ich auch nicht unbedingt die Möglichkeit.
Schon eine der ersten christlichen Gemeinden in Thessaloniki fühlte sich herausgefordert durch die Vielzahl von Traditionen, Meinungen und Informationen. Ihnen schreibt der Apostel Paulus seinen klugen Satz: „Prüft alles und behaltet das Gute!“
Wer etwas prüfen will, muss offen sein für andere Meinungen, Lebensentwürfe und Ideen. Der darf nicht nur auf das Vertraute beharren und jede Veränderung ausschließen. Prüfen heißt aber auch, sich schlau zu machen, selbst nachzudenken und nicht blind einer Meinung zu folgen.
Was kann uns bei Entscheidungen helfen? Als Christinnen und Christen haben wir das Evangelium wie einen Maßstab an die Hand bekommen. Das Liebesgebot „Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ kann uns helfen, Gutes und Böses voneinander zu unterscheiden und kluge, verantwortbare Entscheidungen zu treffen.
Was der Prüfung mit Gottes Blick nicht standhält, können wir links liegen lassen und uns davon entfernen. Was sich als gut erweist, dem können wir folgen, das dürfen wir behalten, schützen und schätzen.
Helga Borghardt
Pastorin in Völlenerkönigsfehn