An(ge)dacht

Angedacht

Gerne denke ich an viele Momente im Sommerurlaub zurück, bei denen ich so richtig in Urlaubsstimmung gekommen bin: Einfach nur irgendwo sitzen. Einfach nur vor mich hinschauen. Einfach nur so nichts tun. Dazu muss ich persönlich nicht in die Nordsee, aber an der Nordsee bin ich schon wirklich gerne. Ach schau: da hinten ein Seehund. Lässig, wie er da auf seiner Bank liegt. Ach schau, die Bollerwagen. Mächtig beladen werden sie an mir vorbei zum Strand gezogen. Ach schau, die Bimmelbahn. Wieder spuckt sie unzählige Inselgäste aus. Einfach nur so, ohne Stress irgendwo sitzen und vor mich hinschauen. Toll! Sowas mag ich! 

Unsanft rausgeholt wurde ich von lauten Schimpftiraden. Zwei Radfahrer gerieten wortstark aneinander. Die bis gerade noch erholsame Nordseeluft, plötzlich unüberhörbar aufgeladen: Mit Beschimpfungen und Drohungen. Ekelhaftes „Reizklima“. Einschüchternd zudem. Eine Person von beiden zog sich schnell zurück. Die andere Person schimpfte hinterher. Drehte dann aber ab. Aufatmen.

Ich erinnere: Ich traute meinen Augen und Ohren nicht. Was für heftige Wut und Aggression. Geht´s noch? Erschreckend, wie schnell Stimmung kippen kann. Selbst im Urlaub. Wie zerbrechlich eine schöne (Urlaubs-)Atmosphäre ist, weil der Ton die „Musik“ macht. 

Zurück in meinen Arbeitstagen nutzte ich neulich nach ein paar morgendlichen Erledigungen eine am Weg liegende Bäckerei, um mal kurz anzuhalten und einen Kaffee zu genießen. Mal wieder war ich ohne Frühstück los. Also okay, jetzt ein Kaffee, dachte ich mir. Grad bestellt und hingesetzt, kam jemand rein, wünschte guten Morgen und ging weiter. „Moin“, erwiderte ich. Er kam zurück und fauchte mich an, ich hätte jawohl mal grüßen können. Geht´s noch? Nur einen kurzen, ruhigen Kaffee-Moment am Morgen wollte ich und dann das! Schon krass. „Bitte schön, der Kaffee“ – jetzt kam mein Kaffee. Ehrlich gesagt: Dieser „Rüffel zuvor“ wirkte länger nach. 

Erschreckend, wie schnell Stimmung kippen kann. Sowas mag ich nicht und macht mich traurig. Und verstehen kann ich´s eh nicht. Wenn ich daran denke, dass jetzt Erntedank, Reformationstag, Buß- und Bettag, Volkstrauertag (auch Friedenssonntag genannt) und dann Ewigkeitssonntag bevorstehen, kommt mir der Gedanke: All das sind in der nächsten Zeit kirchliche Feiertage, die für „Bewusst-Sein“ stehen. Nicht nur im Kalender, sondern auch in „mir“. Bewusst-Sein: Was Leben verdankt. Bewusst-Sein: Was zum Leben verhilft. Bewusst-Sein: Was Leben ermöglicht (im Gegensatz zu dem, was Leben zerstört und verletzt). Bewusst-Sein: Wie wertvoll Lebenszeit ist. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor. 16,14) – als Jahreslosung doch sowas wie Motto und Richtschnur. Eine echte Chance zudem, unserem Miteinander täglich und persönlich eine freundliche Stimmung zu verleihen. Wenn nicht bisher, dann doch fortan. Weil´s doch geht. Nicht einfach irgendwo, sondern genau hier und genau darum. Einfach so. Bitte schön! 

 

Mirjam Valerius